Jakobsweg 2012 – Teil 2 – Leon bis Samos

Teil 2 – Leon bis Samos

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01.05.2012      Villar de Mazarife   (22km)

Auf den Weg nach Virgen del Camino gab ich Josef noch die letzten Tipps als Pilger mit auf den Weg. Er hat hier in einer Bar einen Kaffee getrunken, ich mir nur einen Stempel geholt. Seit dem habe ich ihn nie mehr gesehen. Nach Virgen del Camino teilt sich der Camino für 2 Tage, nach einer kleinen Suchaktion fand ich schließlich den Abzweig und nahm die empfehlenswertere Nebenroute, durch die „Wildnis“. Der Hauptweg würde an der Autobahn entlang führen. Nach einer kleinen Pause in Fresno de Camino wurde die Landschaft auch wieder schöner, endlich keine Stadt mehr, hier fühlte ich wieder richtig wohl. Ab hier liegen nun noch 10km bis nach Villar de Mazarife, auf einer Hochebene, vor mir. Einige Bäume und Sträucher waren alles, was ich hier sah, dies erinnerte mich dann ein wenig an mein geliebtes Irland. Für zwanzig Euro bekamen wir das Komplettangebot der privaten Pilgerherberge (Übernachtung, Abendessen und Frühstück). Abends lernte ich 2 Deutsche kennen, Hans und seine Frau Heidi, beide Rentner und echt gute Leute.

02.05.2012      Sanitibánez de Valdeiglesias   (21km)

Wieder einmal ging es heute auf einer Landstraße, nach Villavante. Auf diesem kleinen Stück kam ich ein wenig mit Hans und Heidi ins Gespräch und er stellte mir nebenbei eine kleine Denkaufgabe (hier ist sie), über die ich bis abends nachdachte. In Villavante genehmigte ich mir eine kleine Frühstückspause. Anschließend führt der Jakobsweg über eine Schotterpiste, welche erst eine Bahntrasse und später noch eine Autobahn überquert. Nach ca. 15km liefen wir über eine römische Bogenbrücke (20 Bögen) und kamen in Hospital de Órbigo an. Bis Villares de Órbigo waren es dann noch 2,5km und weitere 2,5km bis nach Sanitibánez, kurz vor dem Ort ging es noch vorbei an irgendwelchen Baumplantagen (glaube es waren Pappeln). Ein freies Bett fanden wir beim Italiener Herkules, er hat hier aus einem alten Schulgebäude eine sehr authentische Pilgerherberge geschaffen. Duschen und Toiletten waren im Anbau im Garten, zusammen mit Freiluftwaschbecken. Für zusätzliche 8€ bekamen wir ein sehr reichhaltiges Abendessen mit Risotto, Tortilla, Salat, Hühnchen mit Kartoffeln und dann noch ein Vanillecreme- Dessert. Er hat all dies selber und alleine in seiner nicht allzu großen Küche gekocht. Mit dem vollen Magen war die Nacht nicht sehr gut.

kleiner Gedanke:
So viel zum Abendessen gegessen habe ich noch nie.

Wenn ich ab hier „wir“ schreibe, dann meine ich Anja, Maria, Konstantin, Kornelius und mich. Habe die vier einen Tag vor León kennengelernt und wir haben beschlossen bis nach Santiago mehr oder weniger gemeinsam zu laufen.

03.05.2012      Santa Catalina de Somoza   (22km)

Der Jakobsweg führte uns heute immer bergauf und bergab. Auf einer Anhöhe stand am Wegesrand plötzlich Jésus. Er lebt hier seit einigen Jahren mitten in der Pampa und versorgt vorbeikommende Pilger mit frischen Fruchtsäften und anderen kleinen Köstlichkeiten, alles auf Spendenbasis. 1,5km weiter erreichten wir das Wegkreuz von Santo Toribio. Hier gab es einen wundervollen Panoramablick auf Astorga mit den wolkenverhangenen Bergen im Hintergrund. Bergab ging es durch einen kleinen Vorort nach Astorga. Nach Kaffee und einer kleinen Besichtigung der Kathedrale (leider nur von außen) liefen wir weiter bis Murias de Rechivaldo, hier fing es dann auch mal wieder an, zu regnen. Eine Regenstunde später hatten wir die restlichen 5km bis nach Santa Catalina geschafft.

Ab Astorga veränderte sich die Landschaft, es wird hügeliger (die Maragatería) und 1-2 Tage später auch bergiger (die Montes de León, deutsch Berge von León).

04.05.2012      Riego de Ambrós   (32km)

– der bisher schlimmste Tag –

Bergauf ging es durch El Ganso nach Rabanal del Camino, vor dem Ort wanderten wir vorbei an einem Zaun, der mit schätzungsweise 12.000 Kreuzen bestückt war. Nach dem vermeintlichen Geisterdorf Foncebadón (wie es Hape Kerkeling nannte; auch wilde Hunde sahen wir keine), führte uns der Weg zum höchsten Punkt des Caminos, dem Cruz de Ferro auf 1517m. Auch das schlechte Wetter ließ nicht locker, es regnete fast ununterbrochen und hier oben konnte man auch nicht gerade weit schauen. Am Cruz de Ferro legte ich schließlich meinen 107g schweren Stein, welchen ich von zu Hause mitgeschleppt hatte, ab. Diesen Kleinen habe ich am 30.05.2011 auf Inish More, in der Galway-Bay, in Irland aufgesammelt und seit dem hat er mich begleitet, zu Fuß oder mit dem Rad. Gemeinsam haben wir fast 3000km durchgestanden und heute lege ich ihn nach 339 Tagen hier ab, es fiel mir nicht gerade leicht. Am späten Nachmittag konnte ich nicht mehr weiter, aber es waren noch einige Kilometer. Ich war am Ende meiner guten Laune und schnauzte nur noch rum, auch körperliche Probleme meldeten sich. Mein linker Knöchel, der linke große Zeh, das rechte Knie, fürchterliche Kopfschmerzen und ich hatte das Gefühl, dass sich mein Magen um 180° dreht. Gegen 18:30 Uhr kamen wir endlich in Riego de Ambrós an und hofften nun nur noch, dass die Nacht besser wird, als der Tag.
Am Abend wurde mir dann erst bewusst, dass wir einige Kilometer nach dem Cruz de Ferro das kleinste Dorf der Welt durchlaufen hatten, Majarín. vom Ortseingang zum -ausgang waren es nicht einmal drei Meter. Hier fanden sich auch Wegweiser mit Kilometerangaben nach Finisterre, Santiago, Machu Pichu (Peru), Rom, Jerusalem und viele mehr. Unglaublich aber war, dieses Dorf hatte sogar eine kleine Herberge. Der Spanier Tomás hat hier ein sehr einfaches 44-Matratzenlager aufgebaut, fließend Wasser gibt es in einem nahen Brunnen und die Toiletten entpuppen sich als „Plumpsklo“.
Aber zurück zu Riego de Ambrós, nachdem es etwas aufgehört hatte zu regnen, fing es in der Nacht wieder an wie aus Gießkannen zu schütten.

05.05.2012      Ponferrada   (12km)

Beim Verlassen der Herberge um halb 9 Uhr traf ich wie durch ein Wunder auf Elizabeth und Sieglinde, welche ich in El Burgo Ranero bzw. Mansilla de las Mulas verloren hatte. Nach 5km kamen wir in Molinaseca an und aßen Frühstück. Elizabeth läuft nur noch bis Ponferrada (von dort aus dann im nächsten Jahr weiter), bleibt also eine Nacht in Molinaseca, Sieglinde traf ich in Ponferrada wieder.
Sie habe ich übrigens in Carrión de los Condes kennengelernt.
Nun folgte ein bergauf bergab (schon wieder) bis nach Ponferrada, wo wir dem offiziellen Jakobsweg folgten und nicht die Abkürzung durch das Neubaugebiet nahmen. Die Gemeindeherberge mit 250-300 Betten, hatte noch ein paar Betten für uns frei. Gegen 16:30 Uhr traf ich auch Roland wieder, den ich seit León nicht mehr gesehen hatte. Er hat mich bzw. uns nur eingeholt, weil er nach León auch mal eine längere Etappe (37km) gewandert ist.

06.05.2012      Villafranca del Bierzo   (25km)

Die ersten Kilometer nach Ponferrada waren nicht gerade die besten, alle paar Minuten/Kilometer kam ein neuer kleiner Ort, obwohl alles eigentlich eine große Siedlung war. In Camponaraya ging es vorbei an einer Weinkellerei nach Cacabelos. Über eine leicht bergauf führende Landstraße kamen wir nach Pieros. Nach Pieros kam dann für mich der schönste Abschnitt des Jakobsweges (bis heute), der Camino führte hier kilometerweit durch wunderschöne Weinberge. Ich dachte ich wanderte durch Südtirol und nicht durch Spanien, weil die umliegenden Berge auch noch Schnee führten. Bei fast traumhaften Wetter sahen wir von weitem dann schon die Herberge „Ave Fenix“ in Villafranca del Bierzo. Im Nachgang muss ich sagen, dass dies eine der schönsten Herbergen des ganzen Weges für mich war, vielleicht sogar die Schönste. Hier trafen wir wieder auf Markus, den hatte ich ebenfalls seit León nicht mehr gesehen.

Villafranca wird bzw. wurde auch „das kleine Compostela“ genannt, weil hier früher den Pilgern bereits der Ablass gewährt wurde, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bis nach Santiago weiter laufen konnten.

07.05.2012      La Faba   (27km)

Nach Villafranca teilt sich der Jakobsweg wieder einmal, entweder man läuft knappe 11km fast immer nur neben einer nicht wenig befahrenen Landstraße entlang oder man entscheidet sich für den „Camino duro“ – den harten Weg, durch die Berge. Welchen nicht nur ich bevorzugte. Auf die extreme Steigung, von vielleicht 12%, folgte ein wunderbarer Blick zurück auf Villafranca und einige weitere kleinerer Dörfer. Nach einer kleinen Pause in Trabadelos ging es auf der Landstraße weiter in Richtung Vega de Valcarce, Ruitelán und schließlich nach Herreriás. 2 weitere Kilometer mussten wir noch auf der Landstraße verbringen, dann ging es links runter auf einen Waldweg. Dieser führte erst 300m bergab und anschließend auf nicht einmal 2km steil bergauf nach La Faba. Auf dem letzten Stück mussten wir uns dann auf einem Waldweg durch Schlamm und Regenpfützen kämpfen. In La Faba übernachteten wir in der schwäbischen Herberge von Helmut und seiner Frau. Wer hier ein schwäbisches Gedicht aufsagen oder ein Lied eines schwäbischen Komponisten vorsingen kann, muss die Übernachtungsgebühr von 5 Euro nicht zahlen.
In der Herberge lernte ich Rainer und Carmen aus Bamberg kennen, sie sind vor Jahren von zu Hause gestartet und machen dieses Jahr die letzte Etappe von Burgos nach Santiago. Beide haben 5-6 Pilgerpässe voll mit Stempeln und bis heute ca. 2700km auf dem Camino verbracht. Wow!
Anja kochte für uns heute mal wieder ein super Abendessen (in Ponferrada gab es dies auch schon mal).

noch eine kleine Story zum Abend
20 Uhr sollte in der Kirche ein Priester für die Pilger eine kleine Messe halten, leider war dieser bis kurz vor 20 Uhr immer noch nicht da. Plötzlich kamen 4 erschöpfte Pilger aus Litauen in die Herberge, wie es der Zufall will, waren es 3 Priester und ein Anwalt. So fragte unser Hospitalero Helmut einen der Priester ob er nicht eine kleine Abendandacht für uns halten könnte, er tat dies. Eine kleine Gruppe Italiener sang noch dazu und so wurde diese Andacht nur von und für Pilger gemacht. Die Predigt des Pilgers (welche er auf Englisch sprach) hat, im Grunde genommen, das Wesen des Camino widergespiegelt. Oft wird geschrieben oder gesagt, dass der Weg das Ziel ist. Dem ist nicht so, sondern der Weg ist das, was jeder Einzelne daraus macht. Der Weg spiegelt, im höheren Sinne, auch einen Teil unseres Lebens wieder.

08.05.2012      Fonfría   (17km)

Mitten in der Nacht fing es wieder heftig an zu regnen und hörte den ganzen Tag nicht wieder auf. Von La Faba ging es nun erst einmal nur bergauf auf den O Cebreiro. Auf dem Weg kamen wir am Grenzstein von Galizien vorbei. Endlich die letzte Provinz, die noch durchwandert werden muss. Beim ständigen Bergauflaufen kam mir meine Höllentour auf dem Crough Patrick aus Irland 2010 wieder in den Sinn, das Wetter war zumindest das gleiche, nur der Wind war nicht ganz so stark. Auf dem Gipfel, im Bergdorf O Cebreiro, haben wir uns dann mal eine kleine Frühstückspause gegönnt. Der Weg verlief weiter immer wieder steil bergauf und bergab. Einige Kilometer vor Fonfría kamen wir auf die Passhöhe Alto do Poio, die mit 1337m der höchste Punkt auf dem galizischen Jakobsweg ist, kurz hinter der ansässigen Bar (wo wir keine Pause machten) stand eine eindrucksvolle Statue. Diese stellt einen gegen den Sturm ankämpfenden Pilger dar und war bei diesem Wetter wirklich passend. 4km weiter waren wir dann in der, von Südamerikanern betriebenen, Herberge von Fonfría, einer weiteren herrlichen Unterkunft auf dem Weg. Die Betten waren aus Baumstämmen zusammengebaut und eine selbstgebaute Trocknungsanlage für Schuhe kam uns hier nun auch gerade recht. Abends genoss ich zusammen mit Roland in der hauseigenen Bar noch ein paar Bier, hier lernten wir Franz aus Österreich kennen. Franz war ein echter „Schnellläufer“, keinen Tag unter 40km.

kleiner Gedanke am Rande:
Beim Biertrinken schaute ich aus dem Fenster auf den Kilometerstein 139 (die Steine mit den Kilometerangaben haben übrigens erst hier in Galizien angefangen) und dachte mir nur so 139km sind es nur noch bis Santiago, am ersten Tag sah ich ein Schild mit 469km, unvorstellbar, dass ich das gelaufen bin.

09.05.2012      Samos   (20km)

Beim Aufstehen regnete es immer noch oder schon wieder, hörte aber kurze Zeit später auf. Nach dem Frühstück trabten wir los auf den Weg nach Samos. Bis nach Triacastela führte der Camino immer nur bergab. Kurz hinter dem Ort teilt sich der Weg und beide führen später in Sarria wieder zusammen. Logischerweise nahmen wir den Weg, der über Samos verläuft. Auf der Landstraße ging es zunächst nach Renche und schließlich weiter nach Samos. Etwa 3km vor Samos riss dann die Wolkendecke auf und wir konnten in strahlendem Sonnenschein wandern, nach 2 weiteren Kilometern hatten wir dann den ersten Blick auf das Dorf und sahen die riesige Klosteranlage San Julián. Ein freies Bett gab es in der Luxus-Albergue Val de Samos für 11 Euro pro Nase, seit langem fanden wir hier auch mal wieder richtige Federbetten, für einen traumhaften Schlaf. 19:30 Uhr war im Kloster eine wunderbare Messe, mit gregorianischen Gesängen.

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