Teil 3 – Samos bis Santiago
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10.05.2012 Moimentos (Mercadoiro) (30km)
Bis nach Sarria verlief der Jakobsweg immer an der Landstraße entlang, wenn auch wenig befahren. Hier habe ich auch endlich alle angestaute Wut der letzten Jahre rausgelassen, nun kann ich den Camino noch mehr genießen. Oder hätte ich dies schon viel früher mal tun sollen? In Sarria machten wir eine kleine Trinkpause und füllten unsere Vorräte im dortigen Supermark wieder auf. Über einen Feld- bzw. Waldweg ging es zunächst nach Barbadelo und dann durch einige kleine Dörfer nach Morgade. Wenige Meter vorher kamen wir am 100km-Stein vorbei (tatsächlich sind es aber noch ca. 106km), hier lernte ich Wolfgang aus dem Saarland kennen. Da die Sonne bereits den ganzen Tag ohne Gnade brannte, konnte ich in Morgade nicht widerstehen und steckte meinen Kopf erst einmal in eine Tränke, zur Abkühlung. Der Rest des Weges führte durch den Wald bergab nach Moimentos bzw. wie es noch genannt wird Mercadoiro. Die einzige private Herberge befindet sich idealerweise gleich im ersten Haus des Ortes und verfügt über eine sehr schöne Bar mit einem riesigen Garten und herrlichen Duschen (die besten auf dem Weg). Vor dem Essen lernten wir 2 Deutsche kennen, Ralf und Gernot. Ralf ist von 1984-1995 den Jakobsweg von zu Hause aus etappenweise bis nach Sarria gelaufen, hat den Weg aber bisher nie beendet, dieses Jahr haben sich die beiden nun das letzte Stück von ca. 115km von bis Santiago vorgenommen.
Seit dem ich heute den 100km-Stein passiert habe, denke ich nur so: „Eigentlich möchte ich nicht in Santiago ankommen, vielmehr noch einmal in Burgos anfangen.“
11.05.2012 Palas de Rei (31km)
Bis nach Santiago sind es noch 4 Tagesetappen. Heute ging es zunächst auf der Landstraße nach Portomarin, den Ort erreicht man nur, wenn man über eine gut 150-200m lange Brücke über den angestauten Fluss Mino läuft. Das eigentliche Portomarin wurde in den 60er Jahren im Stausee versenkt und an höherer Stelle wieder aufgebaut. Schnell verließen wird diese Kleinstadt wieder und wanderten über Landstraßen, Feld- und Waldwege durch viele kleine Orte und durch die ersten Eukalyptuswälder, von denen soll es ja bekanntlich in Galizien jede Menge geben, bis nach Palas de Rei. Leider war hier bis in die Nacht ein Rallye-Rennen und so war an ruhiges Einschlafen nicht zu denken.
Vor dem Essen versorgte ich meine erste und einzige Blase, diese hatte ich am linken kleinen Zeh gebildet, nur aufgrund einer blöden Falte in der Schuhsohle.
12.05.2012 Ribadiso da Baixo (27km)
Die erste größere Pause gab es heute in Melide nach etwa 15km, weitere 11km waren es dann noch bis nach Ribadiso. Der Jakobsweg führte wieder über Landstraßen und nicht selten durch Wälder, natürlich mit Eukalyptus. Die öffentliche Herberge liegt direkt an einem kleinen Bach, hier hängte ich dann meine Füße das erste Mal in das eiskalte Wasser, was für eine Wohltat. Die Duschen und Waschgelegenheiten waren in einem extra Gebäude auf dem Gelände der Herberge, zum Glück war es warm. Zum Abendessen aßen wir in der benachbarten Bar ein Tagesmenü und trafen hier wieder auf Ralf und Gernot, die beiden hatten sich in der privaten Herberge des Ortes eingemietet.
13.05.2012 Pedrouzo (23km)
3km bis nach Arzúa ging es nur bergauf, danach verlief der Weg entlang der Nationalstraße N547 bis nach Santa Irene und anschließend weiter durch Wälder und über Feldwege nach Pedrouzo. Hier fanden wir in einer Seitenstraße eine nette mittelgroße private Pilgerherberge.
Seit einigen Tagen denke ich manchmal darüber nach, ob aus dem anfänglichen Wandern, mittlerweile vielleicht doch Pilgern geworden ist?
14.05.2012 Santiago de Compostela (21km)
Der letzte Tag (jedenfalls für den größten Teil). Als ich heute Morgen um 6:30 Uhr aufstand, dachte ich nur so: „20km trennen mich noch von Santiago, fast 500 sind also schon gelaufen!“. Leider waren diese wenigen Kilometer nicht gerade schön, es ging über Landstraßen und vorbei am internationalen Flughafen von Santiago hinauf auf den Monte do Gozo („Berg der Freude“). Durch den Nebel sah man von hier aus nicht wirklich viel von Santiago. Bergab ging es dann schon durch die Randbezirke Santiagos. Von hier folgte ich einfach der guten Beschilderung, ich wollte endlich in die Altstadt, zur Kathedrale. Bereits 1-2km vorher konnte man auch schon mal kurz einen Turm sehen. Als ich dann die letzte Kreuzung überquerte und durch die letzte Gasse auf die Plaza do Obradoiro lief war dies ein enormes Glücksgefühl. Und dann sah ich sie, die Kathedrale von Santiago de Compostela, auf diesen Anblick hatte ich mich nun über 2 Jahre lang gefreut, es war überwältigend und mir stiegen die Tränen in die Augen. Einige Minuten später überfiel mich einer von hinten, es war Markus zusammen mit Roland, Karin und den 2 Bambergern. Gemeinsam mit Roland und Karin holte ich mir dann endlich meine Pilgerurkunde die „Compostela“. Es war schon komisch, dieses Stück Papier, nach diesem langen Marsch, in den Händen zu halten. Jetzt suchte ich mir erst einmal eine Herberge und fand eine kleine aber feine, nicht weit von der Kathedrale entfernt, zwar mit 16€ die teuerste des ganzen Weges, aber egal. Abends traf ich auf der Plaza auch wieder auf Anja, Maria, Kornelius und Konstantin (die hatte ich noch vor dem Monte do Gozo hinter mir gelassen). Zusammen mit Roland, Markus und Karin trank ich in einer kleinen Bar ein paar Bier und wir trafen Wolfgang aus dem Saarland wieder. Inklusive der beiden Bamberger gingen wir dann zu einem Italiener schön essen. Nach dem Mahl verabschiedete ich mich von denen die ich nicht in Finisterre wiedersehen werde und legte mich aufs Ohr.
Kurz vor dem Einschlafen dachte ich nur noch so: „Über 500km haben mich meine Füße bereits getragen, vielen Dank.“