Jakobsweg 2014 – Teil 3 – Dijon bis Ouroux

Teil 3 – Dijon bis Ouroux

Vier bis fünf Tage läuft man hinter Dijon fast ausschließlich durch Weinberge, den Burgund, bevor man die ersten Ausläufer des Zentralmassivs erreicht.

Tag 22 – 08.04.2014 – Nuits-St.-Georges (27km)

Das erste Dorf hieß Chenôve. Otto und ich erreichten es einige Kilometer hinter Dijon. Leider liefen wir bis hier nur durch ein Wohngebiet. Dies hatte jedoch nun ein Ende, denn von hier aus ging es in die Weinberge, welche wir bis zum Etappenziel Nuits-St.-Georges nur in den Dörfern verließen.

Überall war man nur am Staunen über die atemberaubende Fernsicht.

Am Abend rechnete ich mal wieder meine bisher gelaufenen Kilometer zusammen. Dabei sammelten sich eins zwei kleine Tränen im Auge, denn ich habe heute die 600-Kilometer-Grenze überschritten. Mehr bin ich noch nie zuvor am Stück gewandert, der Jakobsweg 2012 waren ja nur 599 Kilometer.

Der Tag heute hatte jedoch noch einen weiteren kleinen Höhepunkt, kurz hinter Dijon war die Hälfte der Strecke Trier-LePuy geschafft.

Tag 23 – 09.04.2014 – Meursault (32km)

Nach etwas weniger als einer Stunde kamen wir in Comblanchien raus, laut Reiseführer sieben Kilometer. Das konnte unmöglich stimmen.

Bis Beaun waren es auch nur noch weitere zweieinhalb Stunden. Auf diesem Abschnitt hatten wir jedoch kurz vor Buisson mit hohem Bewuchs zu kämpfen. Gegen halb zwölf erreichten wir schließlich die Altstadt von Beaun. Ein nettes kleines Restaurant lud uns zu einer Mittagspause ein und so verbrachten wir hier etwa zwei Stunden, bevor wir uns wieder auf den Weg machten.

Die letzten zehn Kilometer verliefen wie im Fluge, an dem nicht nur das schöne Wetter, sondern auch eine nette Begegnung schuld war.

Etwa auf der Hälfte zwischen Beaun und dem Tagesziel Mersault, trafen wir auf eine Gruppe Amerikaner/Franzosen. Sie besichtigten hier die schönen Weinberge. Spontan bekamen wir das Angebot, doch ein Gläschen mitzutrinken. Otto genehmigte sich eins, ich lehnte dankend ab, bei der Hitze kann ich einfach nichts „trinken“. Wir unterhielten uns ein wenig mit ihnen, alle waren über unsere Route bzw. Strecke sichtlich erstaunt. Eine der Amerikanerinnen meinte am Schluss noch so zu uns: „Ihr werdet im nächsten Leben als Pinguine wiedergeboren!“
„Kann da was Wahres dran sein?“
Wir werden sehen.

Tag 24 – 10.04.2014 – Fontaines (22km)

Heute früh beim Bezahlen des Zimmers fiel mir auf, dass ich meinen Hut gar nicht auf hatte. Ich schnappte mir den Zimmerschlüssel und schaute dort noch mal nach. Leider Fehlanzeige. So dachte ich nach, wo ich meinen Liebling das letzte Mal hatte: gestern Abend in der Bar auf der anderen Straßenseite. Die Hotelbetreiberin sagte mir dann aber leider, dass die Bar Ruhetag habe. Ausgerechnet an diesem Tag. Zwar versuchte sie noch per Telefon jemanden zu erreichen, aber leider ohne Erfolg. So hatte ich also meinen schönen Hut verloren. „Hoffentlich bekomme ich in zwei Tagen in Cluny eine neue Kopfbedeckung. Muss ja nicht ein Hut sein, aber ein Cappy wäre schon nicht schlecht.“
Ohne Kopfbedeckung in einigen Wochen durch das heiße Spanien zu wandern wäre keine gute Idee.

Der Weg führte heute erst einmal wieder durch die Weinberge, bis Puligny-Montachet. Ab hier folgten wir für etwa vier Kilometer der Landstraße bis Chagny. Nach einer Pause liefen wir stadtauswärts an einem Angelladen vorbei und siehe da, es gab tatsächlich relativ preiswerte Cappys. So kaufte ich mir eines. Ist zwar kein schöner Hut aber besser als nichts.

Auf dem Weg nach Rully gab es zur großen Abwechslung mal wieder Wald. Die letzten Kilometer nach Fontaines mussten dann aber leider wieder auf der Landstraße bewältigt werden.

Nun war ich bereits seit etwas mehr als drei Wochen unterwegs. Vermisste aber rein gar nichts, nicht meine Arbeit (warum auch), nicht meine Wohnung bzw. vertraute Umgebung und so komisch das klingt, nicht einmal meine Familie vermisste ich.
Wenn ich so daran dachte, dass noch etwa zehn Wochen vor mir lagen, dann kam mir das wie eine wahnsinnig lange Zeit vor.

Tag 25 – 11.04.2014 – St. Gengoux-le-National (35km)

Bis nach Genmolles liefen wir wieder auf der Landstraße, hier wollten wir eigentlich nach Westen in Richtung Mellecey abbiegen. Uns war jedoch das Risiko des Verlaufens zu groß, denn der eigentliche Weg verlief erst wieder südlich von Mellecey. So entschlossen wir uns, noch bis nach Civry und auch weiter nach Jambles auf der Landstraße zu bleiben. In Jambles trafen wir dann auf den GR7 bzw. den GR76. Diese führten uns über den kleinen Berg Mont Avril (420 Hm) nach Moroges. Vom Berg hatte man den schönsten Ausblick der bisherigen Reise.

Höhen-, Wald- und Feldwege brachten Otto und mich schließlich nach Calles-les-Rodes und nach einer weiteren Stunde nach St. Genoux-le-National.

Mein Gefühl sagte mir, dass heute der heißeste Tag gewesen sein muss, oder lag dies nur am heutigen Weg?

Tag 26 – 12.04.2014 – Vaux (30km)

Für diesen Tag hatte ich keine Übernachtungsmöglichkeit reserviert. Cluny war groß genug, da sollten wir schon irgendwas finden.

Über einen Schotterweg parallel zur Straße erreichten wir nach reichlich zwei Stunden Cortevaix. Auf dem darauffolgenden Feldweg kam man an einer Kreuzung vorbei, hier könnte man nach Taize abbiegen und kurz spielte ich tatsächlich mit dem Gedanken, diesen Umweg in Kauf zu nehmen.
Geradeaus ging es aber für uns weiter nach Collogne. Der Rest des Weges verlief mehr oder weniger entlang der Straße bis nach Cluny.

Kurz vor dem Stadteingang sahen wir eine Art Pferderennen oder Ähnliches auf einer Rennbahn, dachten uns aber nichts dabei.

Den Schildern folgend kamen wir an der Touristenformation raus, hier ließen wir uns einen Stadtplan aushändigen und machten uns auf zum ersten Hotel. „Completo“ bekamen wir zur Antwort. Auch alle weiteren Hotels und Gästezimmer, welche wir der Reihe nach abklapperten, waren voll. In der Touristenformation wollte bzw. konnte uns die nette Frau auch nicht weiterhelfen. Also beschlossen wir, von hier aus eine Unterkunft in der Nähe zu suchen und auch gleich zu reservieren. Bei der Zweiten oder Dritten hatten wir Glück, fünf Kilometer von hier und fast am Jakobsweg gelegen.

So kauften wir noch ein wenig ein und verließen Cluny dann so schnell, wie wir es betreten hatten.

Die Veranstaltung war übrigens, so erfuhr ich in der Touristeninformation, eine Art Grand Prix des nationalen Pferderennsports.

Kurz nach 19 Uhr erreichten wir unser kleines Gästezimmer im fünf Kilometer entfernten Vaux, auf einem schönen Bauernhof.

Aus den geplanten 24 Kilometern wurden somit 32 (inklusive der Kilometer, die wir durch Cluny geirrt sind). Dadurch waren es am Tag darauf keine 37, sondern nur 32.

Hinter Cluny erreicht der Wanderer bzw. Pilger die ersten Ausläufer des Zentralmassivs, welches ab hier der Begleiter für die kommenden ca. 22 Tage wird.

Vor dem Schlafen schaute ich noch in eine Schale mit Prospekten der Umgebung, welche auf dem Tisch in unserem Zimmer stand. „Vielleicht findet man ja was Brauchbares.“

Bei einem Flyer eines Klosters (irgendwo in Südfrankreich) blieb ich kleben, da dieser nicht nur schön gestaltet war, sondern auch in deutscher Sprache verfasst war. Noch mehr erstaunte mich jedoch der Spruch auf der Rückseite:
„Wir erben die Erde nicht von unseren Eltern, sondern wir leihen sie von unseren Kindern.“
Der passt zur Gesellschaft des heutigen Menschen.

Tag 27 – 13.04.2014 – Ouroux (33km)

In der Küche der Bäuerin bekamen wir ein sehr gutes Frühstück und machten uns gegen acht Uhr auf den Weg.
Schnell ging es in den Wald hinein und steil bergauf und bergab.
Nach vier Stunden waren wir schon fast in Tramayes gelandet. Im Wald trafen wir voller Überraschung auf eine Pilgerin. Aus Frankreich, wie sich herausstellte. Die Erste, seit ich vor 17 Tagen Otto getroffen hatte. Leider verloren wir sie aber wieder. Ein wenig später waren wir dann in Tramayes angekommen. Hier fanden wir eine Bar und ließen uns nieder. Tranken etwas, kauften ein und ruhten uns aus.

Als sich herausstellte, dass der Betreiber etwas deutsch konnte, kam ich auf die Idee ihn zu fragen, ob er für nächsten Dienstag (15.04.) uns eventuell ein Zimmer reservieren würde. Gesagt getan. Klappte auch sofort und ohne Probleme.

Nun lagen nur noch 16 Kilometer vor uns, diese verliefen durch den Wald wieder bergauf bergab.

In Ouroux angekommen: „Wo ist die Herberge?“ Kein Schild, kein Wegweiser, nur ein kleines Mädchen mit ihrem Fahrrad. Wir fragten sie nach einer Herberge hier im Ort. Sie verstand sofort und zeigte uns das Haus, welches die Herberge war. Leider zu.

Plötzlich kam eine Frau und auch das junge Mädchen war dabei. Da wurde uns klar, dass wir genau die Tochter der Herbergsbesitzerin getroffen haben. Was hatten wir nur für ein Glück.

Die Frau schloss das Haus auf und zeigte uns ein Zimmer, zwei Betten, Schrank und Küchenzeile. Etwas später stellte sich heraus, dass wir die einzigen Personen im großen Schullandheim waren. Zu Essen gab es heute nur gebratene Wurst und getoastete Baguette, denn im ganzen Ort befanden sich weder ein Restaurant noch ein Einkaufsladen.

(Text als PDF)

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