Teil 4 – Santiago bis ans „Ende der Welt“
JW2012_4 auf einer größeren Karte anzeigen
15.05.2012 Vilaserío (36km)
Kurz vor Sonnenaufgang gegen 07:30 Uhr brach ich auf, zu den letzten 94km bis ans Ende der Welt. Aus Santiago raus ging es recht schnell, bereits eine halbe Stunde später hatte ich einen schönen Blick zurück auf die Kathedrale. Der Jakobsweg nach Negreira war, der bisher schönste Abschnitt, er verlief fast nur durch wunderbar stille Wälder. In Aquapesada gönnte ich mir eine kleine Frühstückspause, von hier aus ging es bergauf und bergab nach Ponte Maceira, laut Reiseführer einer der schönsten Orte der Gegend, naja Geschmackssache. Anschließend kam ich nach Negreira (23km) und füllte meine Vorräte auf. Weitere 13km waren es noch bis Vilaserío. Das letzte Stück verlief dann durch einen Wald steil bergab. In der Bar, welche gleichzeitig die Herberge des Ortes war, nahm ich ein kühles Getränk zu mir und bezog dann ein Bett. Beim Abendessen lernte ich einen 82 jährigen Deutschen und 2 Iren kennen.
16.05.2012 Cée (43km)
Der erste Teil des heutigen Camino nach Santa Marina führte fast ausschließlich über kleine Landstraßen, selten kam ein Stück Schotterweg. Das gleiche dann auch bis Olveiroa. weiter bis nach Hospital de Logoso lief ich durch eine fast baumlose Heidelandschaft und ein kleines Stück kam mir so vor, als ob dies eine Mischung aus Irland, Neuseeland, Kanada und der Lüneburger Heide war. Im Nachhinein betrachtet, war dies das definitiv der schönste Abschnitt des gesamten Jakobsweges. Nach Hospital de Logoso teilt sich der Weg, ein Teil führt in Richtung Muxía der andere nach Finisterre. Die letzten 15km bis Cée muss man ohne eine Bar auskommen, in der Letzten steht sogar ein Hinweis: „The last Bar for 15 km to Cée.“ Hier versorgte ich mich mit einer zusätzlichen Wasserflasche, welche auch bitter nötig sein wird, weil das letzte Stück so gut wie baumlos ist und somit über kaum Schatten verfügt. Das Laufen bei dieser Hitze durch die Heidelandschaft war sehr kraftraubend. 7km vor Cée sah ich das erste Mal das Meer („wow, endlich 🙂 !“). 5km weiter traute ich meinen Augen dann doch nicht mehr, ich sah das Kap Finisterre. Bei diesem Anblick stiegen mir wieder die Tränen in die Augen. Nach Cée ging es nun sehr steil bergab, hier wird sogar erfahrenen Mountainbikern empfohlen ihr Gefährt, zu tragen. Gegen 17 Uhr kam ich einer der Herbergen an und sank erschöpft ins Bett. Nach einer kleinen Einkaufsrunde und einem Spaziergang am Ufer des Atlantik, hatte ich am Ende zwischen 42 und 45km in den Beinen, die längste Strecke die ich je auf meinen eigenen Füßen gelaufen bin.
17.05.2012 Finisterre (16km)
Von Cée nach Corcubion waren es nur wenige hundert Meter am Ufer entlang. Ein sehr schmaler Schotterweg führte anschließend zum oberen Teil des Ortes. Über Waldwege und kleinere Landstraßen ging es über Amarela und Estorde zunächst nach Sardinerio, welches direkt am Ozean liegt. Eine letzte Anhöhe musste jetzt noch bewältigt werden und wenige Kilometer auf der Uferpromenade entlang und ich war in Finisterre. Hier fand ich direkt am Camino ein schönes Hotel und checkte dort für 2 Nächte ein, dass erste Mal keine Herberge. Auf dem Weg durch das ehemalige Fischerdorf traf ich auf Maria, Anja, Konstantin und Kornelius (Wie sind die nur so schnell hierher gekommen?). Gegen halb drei holte ich mir in der öffentlichen Herberge meine 2. Pilgerurkunde die „Finesterrana“ und machte mich dann auf den Weg zum Kap, dass einige Kilometer außerhalb vom Ort selber liegt. Hier, nach über 600km am westlichsten Punkt des Jakobsweges zu stehen, ist ein atemberaubendes Gefühl. Kurze Zeit später rief ich Roland an, um zu fragen, wann die beiden (er und Karin) in Finisterre bzw. am Kap ankommen: „Sind gerade am Hafen und wollten mit dir was essen gehen.“ So lief ich die 3km zurück ins Dorf und aß mit den beiden ein schönes Tagesmenü. Gegen 20Uhr pilgerten wir zusammen mit Wolfgang, er gesellte sich beim Essen zu uns, wieder raus zum Kap. Hier verbrannten wir jeder ein Kleidungsstück und ich gab meine Jakobsmuschel, welche mich auf dem ganzen Weg begleitet hat, dem Ozean zurück. Gemeinsam warteten wir anschließend auf den Sonnenuntergang. Die schönste und bedeutsamste Zeit des gesamten Weges.
18.05.2012 Finisterre (12km)
Einen Tag bleibe ich heute in Finisterre. Extra für Roland stellte ich meinen Wecker eine Stunde zurück, um ihn noch zu verabschieden. Heute besichtigte ich die Stadt und schaute mich ein wenig am Hafen um. Beim Mittagessen traf ich voller Überraschung auf Anke und Tobias, Pilgerbekannte aus Carrión de los Condes und Sahagún. Nachmittags legte ich mich ein paar Stunden aufs Ohr, ich habe das Gefühl, als ob ich jede Menge Schlaf nachholen müsste, dabei habe ich in den Herbergen gar nicht so schlecht geschlafen. Gegen Abend machte ich mich erneut auf den Weg zum Kap und lief dort ein Stück des Höhenweges entlang, der Ausblick von hier oben nach unten auf das Kap war wunderschön. 21:50 Uhr ging die Sonne wieder unter, dieser Sonnenuntergang war der schönste den ich je gesehen habe (lag dies vielleicht an der Pilger-Atmosphäre?).
19.05.2012 Muxía (32km)
Die letzte Etappe auf dem Camino Francés führt mich heute nach Muxía. 32km verlief der Weg erst durch den Wald und später auf der Landstraße, durch viele kleine Orte hindurch, bis nach Muxía. Hier bekam ich in der öffentlichen Herberge nicht nur ein Bett sondern auch die 3. und letzte Pilgerurkunde, die „Muxiana“. Beim Laufen durch die Stadt habe ich beschlossen einen Tag in Muxía zu verbleiben und reservierte mir ein Zimmer in einem schönen Hotel. Die Reservierung war aufgrund mangelnder Spanischkenntnisse von mir und fast keinen Englischkenntnissen der Mitarbeiterin gar nicht so einfach, aber mit Hilfe von Händen und Füßen, so wie dem Google-Translators funktionierte es doch recht schnell.
20.05.2012 Muxía (10km)
Meine letzte Nacht in einer Herberge war erstaunlich ruhig, ich wurde aber mit strömendem Regen geweckt. Beim Frühstück lernte ich Susanne aus der Schweiz, zusammen mit einem Österreicher kennen. Nachdem ich von Bar zu Bar gezogen war, checkte ich gegen 12 Uhr im Hotel ein, bezog mein Zimmer und machte mich dann auf zum Heiligtum von Muxía, „A Virxe da Barca“, einer Kirche direkt an der Küste. Zusammen mit dem tobenden Atlantik war dies ein sehr schöner Abschluss meiner letzten Tour als Pilger. Beim Zurücklaufen ins Dorf traf ich wieder auf Susanne und wir aßen gemeinsam in einer netten kleinen Bar zu abend, das erste Mal Meerestierchen. An einem kleinen Strand sah ich mir den letzten Sonnenuntergang an, bevor ich mich auf den Weg zurück machte.
Hier ist es, glaube ich, jetzt auch mal an der Zeit danke zu sagen:
– Danke an alle die mich auf den Weg begleitet, mir geholfen und zugehört haben
– Danke an die Hospitaleros und Barbesitzer die mich mit Köstlichkeiten versorgt haben
– Danke auch an alle die mir die Zeit auf dem Jakobsweg überhaupt erst möglich gemacht haben und mir in der Zeit davor immer zur Seite standen
– der letzte Dank geht an den Camino selber, danke für vier wunderschöne Wochen (bis heute)
21.05.2012 und 22.05.2012 Finisterre (32+15km)
Von Muxía ging es am 21. Mai zurück nach Finisterre, der gleiche Weg wie auch schon vor 2 Tagen, nur in die andere Richtung. Wieder nahm ich mir das kleine Hotel direkt am Camino, für 2 Nächte.
Am Tag darauf lief ich ein paar Kilometer (ca. 15) entlang der Costa da Morta (galizisch; spanisch Costa de la Muerte, „Todesküste“) entlang. Abends ging ich das letzte Mal in eine Bar direkt am Hafen. Ich werde das Trinken mit den Geräuschen der Küste im Hintergrund bestimmt vermissen.